Um ausländische Fachkräfte in Deutschland zu integrieren, braucht es eine neue Kultur in Unternehmen. Arbeitgeber sollten Integrationskonzepte und interkulturelle Workshops implementieren.

 

Frage an die HR-Werkstatt: Wie gelingt die Integration von Fachkräften aus dem Ausland?

Es antwortet: Leon Bauer, Geschäftsführer der Onea Care GmbH und Obmann des Vereins Faire Anwerbung Pflege Deutschland

Der Fachkräftemangel ist quer durch alle Branchen in Deutschland angekommen. Besonders drastisch zeigt er sich in der Pflege und im Klinikbereich. Dort gibt es einen globalen Wettbewerb um Fachkräfte, denn zahlreiche Länder – wie auch Deutschland – sind auf die Unterstützung und Einwanderung von Talenten aus dem Ausland angewiesen. Dabei ist die Konkurrenz für Arbeitgeber in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich groß. Die deutsche Sprache zu erlernen und die erforderliche Sprachprüfung (mindestens B1) zu absolvieren, ist eine hohe Hürde für die meisten Talente. Außerdem wird Deutschland in einigen Industriesparten auch uninteressanter, denn viele aufstrebende Weltmarktführer sitzen bereits in Asien und andernorts.

Im Bereich der Kliniken und der Altenpflege erschweren international nicht vergleichbare Berufsausbildungen wie die Ausbildung in der Gesundheitspflege (ehemals Krankenpflege) die Einstellung ausländischer Fachkräfte. Anders im Ausland: Die USA erkennen die akademisierten Berufsabschlüsse in der Pflege direkt an und haben ihr Visaverfahren auf durchschnittlich 1,5 Jahre verkürzt. Die britische Gesundheitsbehörde National Health Service (NHS) verfährt genauso und hat die notwendigen IELTS-Scores (Sprachlevel) für Pflegekräfte herabgesetzt. Das kanadische Einwanderungssystem wird global hochgeschätzt.

Auch in puncto Gehalt kann Deutschland nicht unbedingt punkten: Im Mittleren Osten kann man als Pflegekraft netto mehr verdienen als in Deutschland und logischerweise mehr für die Zukunft zurücklegen. Ein Gesundheits- und Krankenpfleger in den USA verdient mit abgeschlossener Ausbildung im Schnitt 72.000 US-Dollar. Nach einigen Jahren Berufserfahrung ist ein sechsstelliger Verdienst möglich. Wie gelingt es Arbeitgebern in Deutschland nun trotz dieser Rahmenbedingungen, Fachkräfte aus dem Ausland für sich zu gewinnen?

HR muss die Integration von Fachkräften aktiv planen und steuern

Zunächst einmal müssen den Unternehmen die oben genannten Fakten bewusst werden und HR sie an alle am Recruiting-Prozess beteiligten Personen weitergeben. Eine Veränderung in den Köpfen der Arbeitgeber hin zu einer Willkommenskultur ist notwendig. Dann sollte sich HR Gedanken darüber machen, was die gesuchten Fachkräfte in Deutschland erwartet und in welcher Einrichtung und an welchem Ort sie arbeiten sollen. Haben Personalerinnen und Personaler Antworten darauf gefunden, gilt es diese mit den Arbeitssuchenden zu teilen. Hier zahlt sich Transparenz aus, denn sie schafft gegenseitiges Vertrauen und trägt dazu bei, Fachkräfte besser in den Prozess einzubinden.

Damit die Integration der neuen Mitarbeitenden aus dem Ausland gelingt, braucht es ein Integrationskonzept – und zwar eines, das den gesamten Prozess von der Auswahl der Vermittlungsagentur über Anwerbung, Matching und Vorauswahl, Einstellung, Onboarding bis hin zur Mitarbeiterentwicklung berücksichtigt. Integration, die diesen Namen verdient, zeigt Interesse und Verständnis für die Menschen aus völlig anderen Kulturen. Denn HR sollte immer bedenken: Mitarbeitende, die sich beim neuen Arbeitgeber nicht wohlfühlen, gehen bei nächster Gelegenheit. Mitarbeitende, die sich wohlfühlen, bleiben und sehen eine langfristige Perspektive für sich und ihre Familien in Deutschland. Integration trägt also dazu bei, dass die Fluktuation der neuen Mitarbeitenden niedrig ist und dass den vergleichsweise hohen Kosten der Anwerbung und Rekrutierung ein hoher Mehrwert entgegensteht: zufriedene und loyale Fachkräfte in allen Bereichen der Wirtschaft.

Integration betrifft das gesamte Unternehmen – Top-down funktioniert sie nicht

Das Integrationskonzept des Arbeitgebers sollte HR gemeinsam mit allen relevanten Funktionen in der Organisation erarbeiten. Teams und Abteilungen sollten dabei nicht vergessen werden. Denn Integration funktioniert nicht einfach „top-down“. Gemeinsame Workshops mit den Mitarbeitenden und dem Betriebsrat können dazu beitragen, dass die Belegschaft Verständnis und Lösungen für die Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Drittstaaten entwickelt. In diesem Sinne sind interkulturelle Trainings oder Zukunftswerkstätten zu empfehlen. Sie basieren auf Methoden der Organisationsberatung – immer mit dem Ziel, langfristige Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen. Die grundsätzliche Methodik der Zukunftswerkstatt wurde 1981 von Robert Jungk entwickelt.

Bevor die Rekrutierung neuer Fachkräfte losgeht, sollte bereits ein erstes Integrationskonzept vorliegen. Denn gelungene Integration besteht nicht allein darin, ausländische Fachkräfte am Flughafen abzuholen oder sie mit einem Blumenstrauß zu begrüßen. Hilfreich für die Erstellung eines solchen Konzepts ist der Werkzeugkoffer „Willkommenskultur und Integration“ des Deutschen Kompetenzzentrums für internationale Fachkräfte in den Gesundheits- und Pflegeberufen.

Der Werkzeugkoffer enthält die zwölf relevanten Phasen des Integrationsprozesses von der Anwerbung, über die Einreise bis zu allen Facetten des Arbeitslebens in Deutschland. To-do-Listen und Praxisbeispiele geben praktische Anregungen. Anhand dieses Werkzeugkoffers können alle Aspekte der Integration im Team besprochen und vorbereitet werden. Für Schwierigkeiten ist man damit gewappnet.

Das Gütezeichen „Faire Anwerbung Pflege Deutschland“ legt den höchsten Stellenwert auf die Aspekte der Transparenz und Qualität in der Anwerbung von Pflegefachkräften aus Drittstaaten. In dem doch auch von vielen Unsicherheiten geprägten Migrationsprozess können sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer an den Prüfkriterien und dem Leitfaden des Gütesiegels orientieren. Das Gütesiegel selbst ist ein staatliches Siegel der Bundesrepublik Deutschland für privatwirtschaftliche Anwerbung von Pflegefachpersonal aus Drittstaaten. Inhaberin ist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).

Interkulturelle Seminare – Das Team harmoniert durch Verständnis füreinander

Sowohl für Ankommende als auch für die Stammbelegschaft ist die jeweils andere Kultur eine Herausforderung, die beiderseitige Bereitschaft zum Lernen und zur Veränderung verlangt. Darum ist es für alle Mitarbeitenden in Einrichtungen eines deutschen Gesundheitswesens essenziell, über interkulturelle Kompetenz zu verfügen. Für die gelungene Integration ausländischer Fachkräfte aus Drittstaaten außerhalb der EU ist es wichtig, dass sich HR sowie alle Mitarbeitenden jeweilige landestypische Gepflogenheiten und Wertvorstellungen bewusst machen, kulturelle Unterschiede aufdecken sowie Offenheit und Verständnis für die jeweils „andere Welt“ wecken. Dadurch kann eine grundsätzliche Bereitschaft zum offenen Umgang mit dem Anderssein entstehen. Diese Fähigkeiten sind auch wichtig für den Umgang mit Patientinnen und Patienten aus anderen Kulturen sowie grundsätzlich in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft.

Dazu gehört auch, dass sich Mitarbeitende Unterschiede im Kommunikationsstil bewusst machen. So ist der deutsche Kommunikationsstil oft viel direkter und weniger auf die Lebenssituation der Menschen und ihr Umfeld bezogen als die Kommunikation im Großteil der Welt. Anerkennung und Wertschätzung jedoch wünschen sich Menschen in allen Kulturen – besonders in der Berufstätigkeit.

Workshops trainieren interkulturelle Kompetenz

Ein konkreter Schritt, um die interkulturelle Kommunikation zu verbessern, sind didaktisch gut gestaltete und von unabhängigen Organisationen qualitätsgesicherte Workshops in interkultureller Kommunikation. Darin werden die Unterschiede in der Kommunikation zwischen Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen einfach erlebbar und damit verständlich gemacht, was sich positiv auf die langfristige und gute Zusammenarbeit im Unternehmen auswirkt. Dieser Meinung sind zahlreiche Unternehmensvertreter. Einer davon ist Markus Kessel, Projektmanager für internationale Pflegekräfte am Universitätsklinikum Düsseldorf: „Durch die inzwischen mehrjährige Durchführung auf die individuellen Erfordernisse des Unternehmens ausgerichtete transkulturelle Seminare für die Stammmitarbeitenden war es uns möglich, die Bereitschaft und Qualität der Integration internationaler Pflegekräfte an unserem Universitätsklinikum deutlich zu verbessern.“ Nach den Seminaren habe die Stammbelegschaft und die internationalen Fachkräfte besser zusammenarbeiten können.

Fazit

Integration geschieht nicht von selbst, sondern ist ein Lernprozess, dem man Zeit widmen muss. Doch wer als Arbeitgeber Fachkräfte aus dem Ausland für sich gewinnen und halten möchte, sollte diesen Prozess angehen.

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